| von Oliver Pollex

Teammoral statt Teamzufriedenheit - Eine erfolgsentscheidende Kennzahl für Teamleiter:innen und Unternehmen

Ein Team mit hoher Teammoral kann sich schnell anpassen und Innovationen einführen

Bergsteiger reichen sich Hand

Die Anpassungs- und Innovationsfähigkeit von Teams spielen in unserer durch Wandel und Komplexität geprägten Unternehmenswelt eine entscheidende Rolle. Bereits mehrere Studien haben herausgefunden, dass Teams mit hoher Teammoral sowie hoher psychologischer Sicherheit (also dem Fehlen von zwischenmenschlicher Angst) sich tendenziell schneller anpassen und Neuerungen einführen können.[1] [2] [3] Die Strategieberatung McKinsey konkretisierte dabei bestimmte Faktoren, die den größten Einfluss auf die psychologische Sicherheit bzw. die Teammoral zeigen. Dabei handelt es sich unter anderem um: gegenseitige Fürsorge und Wertschätzung im Team, Stolz für die Arbeit und Aufgaben sowie ein hohes Verantwortungsgefühl für Teamaufgaben.[4] [5] In diesem Artikel zeige ich, wie Teamleiter:innen basierend auf diesen Faktoren erkennen können, wo sie ihren Coaching Fokus innerhalb des Teams setzen sollten.

 

Teamleiter:innen sollten Teammoral statt Teamzufriedenheit messen

Viele Firmen versuchen Störfaktoren ihrer Mitarbeitenden zu erkennen und gezielt zu beheben. Sie nutzen Teamumfragen, um zu verstehen: „Wie zufrieden sind meine Mitarbeitenden?“ [6] Dabei muss zwischen der Teamzufriedenheit und der Teammoral unterschieden werden.

Teamzufriedenheit bezieht sich auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit ihrer Arbeit und dem Arbeitsumfeld. Diese Frage ist aus vielerlei Hinsicht relevant. Sie zeigt, dass Unternehmen den menschlichen Aspekt der Arbeit erkennen, der in einem Team aus Entwickler:innen zwingend eine Rolle spielen muss und gibt Teamleiter:innen die Möglichkeit, potenzielle Probleme zu identifizieren. Das Risiko bei der Frage nach der Zufriedenheit eines Teams ist, dass die Zufriedenheit von Mitarbeitenden von externen Faktoren beeinflusst werden kann und oft nur kurzfristig besteht.[7] Ein Teammitglied könnte unzufrieden sein, weil das Fahrrad einen platten Reifen hatte oder zufrieden, weil sich eine Freundin nach langer Zeit wieder meldete. Beide Umstände sind nicht durch die Teamarbeit hervorgerufen, also team-extern, beeinflussen aber dennoch die Zufriedenheit von Teammitgliedern. Auch jene externen Einflüsse auf die Zufriedenheit von Mitarbeitenden müssen vom Team respektiert und ernstgenommen werden. Sie lassen sich jedoch nicht oder nur geringfügig vom Team beeinflussen und bieten daher nur eingeschränkt die Möglichkeit die Teamzusammenarbeit zu verbessern.

Im Gegensatz dazu beschreibt die Teammoral, mit wie viel Enthusiasmus und Ausdauer ein Teammitglied an den Aufgaben des Teams arbeitet.[8] Teammitglieder mit hoher Moral helfen und respektieren einander, sind stolz auf die Arbeit, die sie im Team verrichten und haben ein hohes Verantwortungsgefühl für die vom Team übernommenen Aufgaben. Ein Team mit hoher Moral fühlt sich wertgeschätzt, arbeitet inspiriert und empfindet einen bedeutungsvollen Beitrag zur Organisation. Diese Motivation für und Identifikation mit der Arbeit führen zu nachhaltiger Leistungssteigerung und fördern ein Gefühl der Zugehörigkeit. [9] [10] Teammoral beruht also auf vom Team beeinflussbaren Faktoren, die von Teamleiter:innen durch gezielte Maßnahmen gestärkt werden können.

 

Um effektive Erkenntnisse über die Teammoral zu sammeln, sollten Messungen alle 2 Wochen durchgeführt werden

Viele große Unternehmen führen Messungen der Teammoral alle 1-2 Jahre durch. Um allerdings sicherzustellen, dass Probleme frühzeitig erkannt werden, z.B. wenn sich das Teamklima verändert, sollten diese Auswertungen alle 1-2 Wochen vorgenommen werden. Das Ziel sollte es sein, Probleme von Mitarbeitenden und Teams zu erkennen, bevor es zu sichtbaren Ineffizienzen der Teamarbeit kommt. Durch die Analyse der Moral von Mitarbeitenden können Teamleiter:innen frühzeitig demotivierende Faktoren ansprechen und diese proaktiv lösen.[11] Das Team möchte teilnehmen, wenn gezeigt wird, dass durch ihren Input die Teamarbeit optimiert werden kann.

 

9 Fragen zur Erhebung der Teammoral

Um die Teammoral zu messen, sollten Teamleiter:innen die Zustimmung des Teams zu Aussagen wie Folgenden erfragen. Teammitglieder sollen ihre Zustimmung jeweils auf einer Scala von 1 (Stimme nicht zu) bis 7 (Stimme voll zu) beantworten.

    1. In meinem Team fühle ich mich fit, stark und voller Energie.

    2. Ich bin enthusiastisch über die Arbeit meines Teams.

    3. In meinem Team werde ich von den anderen Teammitgliedern unterstützt.

    4. Mein Input bei wichtigen Teamentscheidungen wird ernst genommen.

    5. In meinem Team habe ich die Autonomie eigene Entscheidungen zu treffen.

    6. In meinem Team werde ich herausgefordert.

    7. In meinem Team kümmern wir uns um das gegenseitige Wohlbefinden.

    8. Ich bin stolz auf die Arbeit, die ich für mein Team leiste.

    9. Ich finde die Arbeit die ich für mein Team mache, sinnvoll und zielführend.

Die Antworten auf diese Fragen geben den Teamleitern wertvolle Erkenntnisse darüber, wie ausgeprägt die Teammoral und wie positiv das Teamklima ist. Teams können mit dieser Erkenntnis gezielt entscheiden welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um ihre Moral zu stärken. Ein fiktives Beispiel einer Teammoralmessung ist in Abbildung 1 aufgezeigt.

Teammoral
Abbildung 1: Beispielhafte Statistik einer Teammoralmessung

 

In den Wochen 17 – 23 stimmt das Team der Aussage „In meinem Team fühle ich mich fit, stark und voller Energie“ durchschnittlich zu. Ab Kalenderwoche 24 ist die Zustimmung zur selben Aussage deutlich gesunken. Ein Team müsste in diesem Fall hinterfragen worauf die sinkende Zustimmung zu der gezeigten Aussage zurückzuführen ist. In agilen Teams könnte das Ergebnis während der Retrospektive diskutiert und Maßnahmen beschlossen werden.

Obwohl die Messung der Teammoral zahlreiche Vorteile für Teams mit sich bringt, dürfen individuelle Stimmen und spezifische Bedürfnisse nicht übersehen werden. Faktoren wie die individuelle Arbeitsbelastung, Ressourcenausstattung und organisationale Unterstützung haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Teamdynamik und dürfen in der Diskussion um Teammoral nicht außer Acht gelassen werden. Das könnte paradoxerweise zu einer Erosion der Teammoral führen, da Teammitglieder zögern könnten, persönliche Unzufriedenheit oder abweichende Meinungen zu äußern, aus Angst, die wahrgenommene hohe Moral zu stören.

Eine höhere Teammoral führt zu steigender Motivation, besseren Arbeitsbeziehungen und letztendlich zu höherer Anpassungs- und Innovationsfähigkeit des Teams. Die Messung der Teammoral ist ein gutes Werkzeug für Teamleiter:innen, Ansatzpunkte zur Verbesserung des Teamklimas zu identifizieren. Probieren Sie es mit Ihrem Team aus.

Quellen

[1] Amy C. Edmondson, “The fearless organization”, 2018
[2] Anne Boon et al., “Team learning beliefs and behaviors in response teams”, 2013
[3] Corinne Post, “Deep level team composition and innovation”, 2012
[4] https://www.mckinsey.com/capabilities/people-and-organizational-performance/our-insights/psychological-safety-and-the-critical-role-of-leadership-development
[5] https://www.mckinsey.com/featured-insights/mckinsey-explainers/what-is-psychological-safety
[6] https://hbr.org/2016/05/why-john-deere-measures-employee-morale-every-two-weeks
[7] https://medium.com/the-liberators/agile-teams-dont-use-happiness-metrics-measure-team-morale-3050b339d8af
[8] F. J. Manning, Morale, cohesion, and esprit de corps, Handbook of military psychology, 1991
[9] https://www.psychologie-aktuell.com/news/aktuelle-news-psychologie/news-lesen/wirtschaftspsychologie-wie-teams-spielend-zufrieden-und-erfolgreich-werden.html
[10] https://wpgs.de/fachtexte/gruppen-und-teams/was-macht-ein-gutes-team-aus/
[11] https://hbr.org/2016/05/why-john-deere-measures-employee-morale-every-two-weeks

 

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Über den Autor

Oliver Pollex ist Consultant bei Woodmark und beschäftigt sich mit dem Thema „agiles Teammanagement“. Dabei untersucht er Möglichkeiten die Zusammenarbeit in Teams zu optimieren. Oliver ist mehrfach zertifiziert im Bereich Scaled Agile Framework (SAFe) und hat Expertise aus verschiedenen Projekten im Automobil-, Pharma-, Versicherungs- und Einzelhandelbereich.

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